Auf das Leben! Jüdisch in Deutschland 🔎🔍
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📺dokujidd
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Drei Lebensläufe, die unterschiedlicher kaum sein könnten: In der jungen blonden Frau, die voller Fröhlichkeit ihre Hochzeit vorbereitet, dem geschäftig-nüchternen orthodoxen Rabbi und dem ebenso amüsanten wie klugen Musikhistoriker zeigt sich die Vielfalt wiedererwachten jüdischen Lebens in Deutschland. Unter den vielen Sätzen des Films, die aufhorchen lassen, ist jener des Sprechers der orthodoxen jüdischen Gemeinde Hannovers, er wisse kaum etwas über die liberale jüdische Gemeinde am gleichen Ort, kenne noch nicht einmal deren Anschrift. Oder jener eines neunzig Jahre alten Holocaust-Überlebenden, er habe in den letzten Jahrzehnten niemals antisemitische Worte oder auch nur Ansätze gespürt. Zugleich aber findet in die jüdische Kindertagesstätte nur Einlass, wer durch Kamera und Guckloch als vertrauenswürdig eingestuft wird.
Der Norddeutsche Rundfunk glaubt, „Auf das Leben -- Jüdisch in Deutschland" sei die erste ausführliche filmische Dokumentation über den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland, während bisher Filme sich auf den Holocaust und die Folgen konzentrierten. NDR-Intendant Lutz Marmor sagt, diese seit vier Jahren vorbereitete Produktion -- eine einstündige Fassung strahlt die ARD aus, eine Langfassung von neunzig Minuten 3Sat -- sei dem Sender wie auch ihm besonders wichtig gewesen. Dass die Filmemacherin Gesine Enwaldt dafür Hannover auswählte, war kein Zufall. Dort gab es vor 1933 eine der größten jüdischen Gemeinschaften Deutschlands, dort war die Synagoge einst das größte Gotteshaus der Stadt.
Heute leben wieder mehr als 8000 Menschen jüdischen Glaubens in Niedersachsen. Es sei „im jüdischen Bereich Vorzeigeland", sagt Michael Fürst, seit 21 Jahren Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden. Auch heute weise keine andere Stadt, auch nicht Berlin, eine solche konfessionelle Vielfalt jüdischen Lebens auf, sagt der gebürtige Hannoveraner, der als erster jüdischer Soldat in der Bundeswehr diente. Fürst lobt die Wiederverankerung des Judentums in der Gesellschaft, sucht auch -- in dieser Form einmalig in Deutschland -- das Gemeinsame mit der Palästinensischen Gemeinde. Die Vorsitzende der liberalen Gemeinden -- die Mutter der Braut im Film -- fühlt sich dagegen eingeigelt.
Der Film setzt gezielt auf Emotionen, will aber nicht belehren. Er lässt weitgehend ohne erläuternde Kommentare die Porträtierten zu Wort kommen. Neben der Vielfalt, die Zwist verdeckt, innerhalb der jüdischen Gemeinden, erstaunt, wie wenig Deutsche über das Judentum wissen. Die Porträtierten berichten, dass ihnen immer wieder in einer Mischung aus Neugier und Unsicherheit gesagt werde, sie seien „die ersten Juden", die man treffe. Fast alle Filmemacher, auch Kameraleute und Tontechniker, berichten, das sei für sie ihr erster Einblick gewesen in eine für sie fremde Welt. Der Film gibt einen solchen Einblick -- in die Synagogen der Liberalen und der Orthodoxen, in die Feiern zum Schabbat an Freitagabenden, dem Ruhetag als Feiertag. Wir sehen, wie Kindern in der Kita erklärt wird, was die Tora, das heilige Buch, bedeutet. Was genau, sagt ein Junge, sei ihm noch nicht klar, wohl aber, dass das mosaische Gesetz für ihn so wichtig sei wie Wasser für die Fische. Ein Thema wird immer wieder angesprochen: die Frage nach der Loyalität zwischen zwei Heimaten. Der Sammler jüdischer Orgelmusik Andor Izsák sagt, er könne sich nicht vorstellen, irgendwo anders als in Hannover beigesetzt zu werden, jedenfalls nicht in Israel. Andere zögern bei ihrer Antwort. Dann aber sagt Izsák, der wie Fürst in Hannover und darüber hinaus „jeden" kennt, über seine Landsleute: „Wir sind weit voneinander, obwohl wir Nachbarn sind."
In einer Szene werden die drei Hauptpersonen filmisch zusammengefügt: bei einer Feier in der Gedenkstätte Bergen-Belsen, in der Izsák seinem Freund Christian Wulff, damals niedersächsischer Ministerpräsident, den Ablauf erläutert. Neben diesem und einigen anderen ernsten Momenten wird viel gelacht. Vor allem der Menschenfreund Izsák und der Brautvater zeigen Emotionen, wie das sonst im Fernsehen unüblich ist, und lachen beständig, sind zudem offen: etwa wenn der Brautvater über seine Frau und Tochter sagt, sie seien anstrengend, aber langweilig werde es nie. Der Rabbiner bei der Hochzeit, mit der der Film endet, sagt, er habe bei einem Besuch in New York ständig gehört, jüdisches Leben könne in Deutschland nicht wieder erstehen, schon weil Traditionen und Werte fehlten -- die Hochzeit aber belege das Gegenteil.
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